Sonntag, Dezember 10, 2006

altern

das thema altern begegnet mir erschreckend oft an diesem wochenende.
zum einen habe ich heute mit den jüngeren menschen meines orchesters im pflegeheim gespielt. beklemmungszustände. magere gestalten, eingefallene, gelbgraue gesichter, leere augen... und der geruch. hunderte von menschen verleben ihre letzten tage in dieser tristen, unpersönlichen umgebung. verleben sich...

doch was ist die alternative?

ich habe immer dieses bild vor augen: bauernhaus, 4 generationen, die uroma erzählt den urenkeln schwänke aus ihrer jugend und strickt dabei socken. alle sitzen gemeinsam beim abendbrot und freuen sich. utopie... eine variante habe ich selbst erlebt: meine oma wurde 6 jahre von meiner mama zu hause gepflegt. am anfang konnte sie mit gehhilfe auch noch selbst laufen, später dann nicht mehr. sie lag im bett, wurde immer kranker, man sah deutlich, dass es ihr tag für tag schlechter ging. die arbeit wurde für meine mutti immer schwerer und sie litt nicht nur körperlich (und das schon extrem!), sondern vor allem auch seelisch. zu sehen, wie es der geliebten mutti immer schlechter geht... ich weiß nicht, ob ich das kann/könnte. später lag die oma dann auch in einer pflegeheimzelle, weil mama das nicht mehr geschafft hat. alles an ihr war im prinzip schon tot: sie lag nach unzähligen schlaganfällen im wachkoma mit einer tellergroßen offenen stelle am rücken, die zehen verfaulten bei lebendigem leib - nur das herz hat ein entgültiges ableben über jahre hinweg verhindert.

was ist die alternative?

kugel? (also, für einen selbst jetzt. vorausgesetzt, dass man seinen eigenen verfall dann noch realisiert)
eine aus meinem orchester, die zwar schon über 70, aber mopsfidel ist, meinte heute: da kann man nur hoffen, dass man einfach so von einem augenblick auf den anderen tot umfällt.
doch für wieviele menschen trifft das schon zu?

zum andern unterschreibe ich heute eine generalvollmacht für meine eltern. damit übernehme ich, wenn sie selbst nicht mehr dazu in der lage sein werden - was hoffentlich nicht so bald der fall sein wird! - die verantwortung für ihr leben (und natürlich für den ganzen finanzkram und was da noch alles dranhängt...).
ich hoffe, dass ich für mich dann all diese fragen geklärt haben werde und menschenwürdige entscheidungen treffen kann.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein..."

Anonym hat gesagt…

Andererseits war es auch schön zu erleben, wie die älteren Herrschaften von unseren Melodien noch einmal in ihre Jugend entführt wurden und durch ihr Singen kundtun konnten, dass sie zumindest emotional den Lauf der Zeit aufgehalten haben. Tränenrührend.

sebastianne hat gesagt…

ja naja... ihr hattet aber auch die eine dame nicht, die einen mit ihrem "spield dor ma leisor!" völlig aus der fassung... geschraubt hat.
aber global gesehen hast du natürlich recht - es ist ein schönes gefühl, den alten menschen für ein paar minuten ein wenig freude zu bringen.

Anonym hat gesagt…

Ist es nicht ein interessantes Phänomen bei uns Menschen, dass wir uns immer nur die negativen Dinge merken? Und die positiven dafür stets als selbstverständlich ansehen?